Die meisten von uns gehen nicht ins Stadion weil dort gewonnen oder verloren wird. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Egal wie es ausging, am nächsten Wochenende stehen wieder 22 Mann auf dem Feld und fangen bei 0:0 an. Wir gehen auch nicht ins Stadion, weil dort der eine oder andere Spieler den einen oder anderen Übersteiger zeigt oder der eine Ball dann direkt in den Winkel fliegt. Dafür passiert beides gleichzeitig in einer Fankarriere zu häufig und im einzelnen Spiel zu selten.

Aus diesen Gründen funktionieren auch die Kirmesligen in Katar oder USA nicht. Fußball ist mehr als Stars, die gegen einen Ball treten.

Fußball bringt uns mit unseren Freunden zusammen. Und sie bringt unsere Heimat an einen spürbaren Ort. In diesem Stadion sind 20.000 oder mehr Leute, die das gleiche fühlen wie ich, die von dort kommen, wo ich herkomme, die etwas mit mir verbindet. Und die Kerle unten auf dem Feld sind die Blitzableiter für diese positive Energie. In Ihnen bündelt sich dieses Gefühl. Aufgestellt vom Trainer an der Seitenlinie.

Damit diese Erzählung funktioniert, reden wir uns ein, dass unsere Mannschaft auch abseits des Platzes gute Freunde sind. Wir reden uns ein, dass der Trainer ein guter Mensch ist, der diese Energie kanalisieren kann und will. In der Serie Ted Lasso wird uns das prototypisch vorgelebt. Alles wird gut, wenn man nur stark genug dran glaubt, dass „das Richtige“ tun auch das Richtige ist.

Leider ist das echte Leben keine Fernsehserie. Und im Gegensatz zum TL im Film kann TL im echten Leben das Ruder nicht so weit herumreißen, das wenigstens das Gefühl im Stadion stimmt (wenn auch nicht die Ergebnisse).

Torsten Lieberknecht war verdammt nah dran an meiner Vorstellung davon, wie ein Trainer zu sein hat um zu uns zu passen. Er hat sich glaubhaft auf die Stadt, den Verein und die Fans eingelassen. Er war nicht hier um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen oder zu zeigen was für spezielle taktiktricks er sich ausdenken kann. Er hat sich zu 100% mit der Aufgabe identifiziert und hat mit zwei tollen Saisons (darunter die gefühlt beste Saison meines Fanlebens inkl. Aufstieg in die Bundesliga am Schluss) auch reichen Lohn eingefahren.

Schon im Laufe der Bundesligasaison schienen im selbst die Argumente auszugehen, wie man die Jungs daran glauben lassen kann, dass wirklich das nächste Spiel wieder bei 0:0 losgeht und man wirklich eine Chance auf einen Sieg hat. Spätestens beim Augsburgspiel war das durch. Ich habe damals im Stadion zu meinen Jungs gesagt, was mein Vater mir früher beim Schraubenanziehen sagte „Nach fest kommt ab“.

Die neue Saison mit vielen neuen Gesichtern hätte eine Chance auf einen Reset sein können. Gegen Düsseldorf konnte man mithalten, die ersten 30 Minuten gegen Paderborn waren gut. Nürnberg Pech. Aber ja, Elversberg zeigt: aktuell hat es mit dem Reset im Kopf noch nicht geklappt.

Ich traue Torsten zu, dass er im Gegensatz zur Vereinsführung erkannt hat, dass hier ein echter Reset her muss. Und wenn neue Spieler und neue Liga nicht reichen, dann muss ein neuer Trainer her. Diese Konsequenz für den Verein auch gegen die eigene Person zu entscheiden hat meinen höchsten Respekt. Diese Konsequenz ist selten geworden. Umso dankbarer muss man für Torsten Lieberknecht sein.

Zum Glück ist dies kein Nachruf. Und für alle unter uns, die in Darmstadt leben wird es wohl auch in den nächsten Tagen, Woche, Jahren noch genug Möglichkeiten geben Torsten Lieberknecht zu treffen, weil die Familie in Darmstadt wohnen bleiben möchte.

Bei der Auswahl seines Nachfolgers sollte man nun versuchen nicht den Fehler zu machen TL2 zu etablieren. Diese Fussstapfen sind ziemlich sicher zu groß und sie helfen auch nicht beim Reset. Bring mir einen harten Schleifer oder einen schlauen Taktiker. (nach allem was man über Kohfeld liest, passt er ins Schema Taktiker. die fehlende Fännähe finde ich ausnahmsweise nicht mal schlimm)

Danke Torsten Lieberknecht für eine tolle Zeit. Ich bin selten so gerne ins Stadion gegangen, wie unter deiner Leitung unserer Jungs.

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